Das Laternenfest, unsere Regentropfen Aufführung und
ein mehrtägiger Ausflug durch das atemberaubende Landesinnere
Die letzten Wochen waren wir voll in die Aktivitäten der Community eingebunden. Das Laternenfest, das hier im Februar genau 15 Tage nach dem chinesischen Neujahrsfest gefeiert wird, und eine Geschichte über Wassertropfen, die unsere Gastgeber gerne umsetzen wollten, standen im Mittelpunkt unserer Aktivitäten.
Adam war eine ganze Woche mit seiner eigenen Laterne beschäftigt und hat ein riesiges Schwein gebaut. Wir haben mit unseren Kindern und den Kindern aus der Community Laternen entwickelt, wobei ein paar sehr schöne Exemplare entstanden sind. Am Ende habe ich noch viel Zeit in die Beleuchtung der Laternen gesteckt und verschiedene Varianten entwickelt: mit LEDs oder ganz klassisch mit Kerzen. Da das Papier sehr dick und schlecht zu reissen war, ging es nicht immer flott daher, doch am Ende hatten wir über 20 Laternen gebaut, die wir in einer abendlichen Prozession, begleitet von dem trommelnden Jerry, dem Kopf der Gemeinde, in Richtung Stadt präsentierten. Den größten Teil der Strecke wanderten wir durch absolute Dunkelheit, was unsere Laternen besonders schön zum leuchten brachte.
Scheinbar wird das Laternenfest nicht mehr überall gefeiert, denn auf unserem Weg trafen wir keine weiteren Laternenläufer, wurden aber von zahlreichen Passanten bestaunt. Unser Ausflug endete mit einem Gruppenfoto vor der großen Freitreppe in der Stadt, dann haben wir alle mitsamt der Laternen auf einen LKW geladen und sind stehend und singend durch die Nacht zurück gefahren. Es war ein schönes Gefühl und alle hatten ihren Spaß dabei. Anschließend gab es zum Aufwärmen eine leckere süße Bohnensuppe mit Reisbällchen drin.
Parallel zum Laternenbauen haben wir mit einer Gruppe von 5 Kindern, 5 Teenagern und Vanessa als Übersetzerin und Mitspielerin begonnen, eine Geschichte zu inszenieren, die der Community sehr am Herzen liegt. Um mal wieder Nelio zu Wort kommen zu lassen, der die Geschichte u. a. seiner Freundin Ella wie folgt per Mail beschrieben hat:
Hier ist jetzt morgens jeden Tag Sport und danach Schule und danach Mittagessen und dann wieder Schule und dann proben wir ein Theaterstück.
Das geht um ein Meer wo viele Tropfen rausplatschen und fragen: „Wer bin ich? Bin ich das Meer?“ Und dann nimmt ihn Opa Meer in den Arm und schaukelt ihn hin und her. Als der Tropfen eingeschlafen ist, hat Opa Meer den Tropfen auf den Boden gelegt und während er schlief, ist er in eine Wolke geflogen. Dann ist der Tropfen aufgewacht und um ihn rum waren ganz viele andere Tropfen. Er hat sich ganz gefreut und dann haben sie getanzt und dann haben sie bemerkt, das sie in einer Wolke sind. Dann sind sie auf Oma Wolke raufgeklettert und Oma Wolke wars ganz schwer und dann hat sie die Wolke geöffnet und hat alle Tropfen rausgeschmissen.
Dann sind sie auf einen alten vertrockneten Baum geplatscht und haben ihn sauber gemacht. Danach war er ganz fröhlich und hat zu den Wassertropfen Danke gesagt. Dann sind die Tropfen in Richtung Stadt geflossen, dann sind sie durch eine Brücke geflossen, die eine Hälfte der Tropfen ist weiter in Richtung Stadt und ist durch eine Maschine geflossen und danach waren sie ganz dreckig. Die andere Hälfte ist zu einer Blumenwiese, die aber ganz vertrocknet war, geflossen und hat ihr Wasser gegeben. Dann haben sie ganz doll getanzt und haben zu den Wassertropfen gesagt: Danke!
Dann sind sie weiter geflossen und haben den dreckigen Tropfen gesagt: kommt, wir kennen einen Ort, wo ihr wieder sauber werdet! Der Ort war eine Waschmaschine und dann sind sie durchgegangen und waren ganz sauber und haben sich gefreut.
Sie sind alle gemeinsam wieder ins Meer geflossen.
Zu Ende!
Letzten Montag haben wir eine Laternenwanderung gemacht und ich habe einen großen Stern gemacht und Liam hat einen kleinen Stern gemacht. Aus den Bergen sind wir in die Stadt gewandert und sind mit einem riesigen Truck wieder in unsere Community zurück gefahren.
Hier ist das Essen sehr lecker. Mein Lieblingsessen ist hier süsse schwarze Sesamsuppe.
Die Proben zu dem Stück waren wahrlich nicht immer einfach und die Konstellationen manchmal sehr anstrengend. Glücklicher Weise übernahm TJ mit Ling Lings Mutter Yuchen anfangs das Warming up mit allen Kids, so dass wir zumindest morgens etwas Unterstützung hatten. Adam hatte sich zunächst mit durch seine Arbeit an seiner Schweinelaterne rausgezogen und wir hatten neben den 8 taiwanischen Kids auch noch unsere eigenen in der Theatergruppe, was die Proben nicht gerade vereinfachte.
Unser erster Auftritt sollte intern auf der Community Bühne vor ein paar eingeladenen Freunden stattfinden. Wir hatten inzwischen mit allen Wassertropfen Masken gebaut und eine Choreografie entwickelt. Salong und Jerry komponierten wieder die Musik zum Stück und es entwickelte sich die Idee, dass zwei Songs das Ganze umrahmen und die Basis des Stückes darstellen sollten. Am Tag der Premiere zauberte Salong dann noch eine Kostümidee für die kleinen Wassertropfen hervor und im Handumdrehen waren 5 Leute damit beschäftigt, diese schnell umzusetzen.
Denn bei einem Besuch des lokalen Schuldirektors an einem unserer Probentage erhielten wir eine Einladung, unser Stück vor großer Kulisse in der ortsansässigen Oberschule zu zeigen. Das setzte wohl alle doch etwas unter Druck, denn solch einen Auftritt in einer Schule hatten sie seit zehn Jahren nicht mehr gemacht und uns wurde erst langsam klar, dass es etwas ganz besonderes war dort eingeladen zu werden und vor knapp 400 Schülern aufzutreten.
Inzwischen war auch Constanze (Conny) aus Berlin eingetroffen. Jerry hatte uns zugeredet, das es absolut unmöglich geht, dem frisch angereisten Besuch eine Anreise per Bahn zuzumuten, dass sie abgeholt werden müsse und nach „zähen“ Verhandlungen wurde mir schließlich zugetraut, dass ich diese Aufgabe alleine durchführen könne! Es hat auch alles gut geklappt, auch wenn Constanzes Koffer eine Extrarunde in Shanghai drehen und sie zwei Tage auf ihn warten musste.
So wurde die Aufführung am Ende noch zu einer Art Willkommensparty für unseren Besuch aus Deutschland, und Conny konnte aus ihrem frisch eingetroffenen Koffer auch gleich Ostereier und andere Leckerei in der (Kinder)Menge verteilen! Wir packten jedenfalls die Gelegenheit am Schopfe und planten, zusammen mit Conny einen mehrtägigen Ausflug zu machen. Wir hatten das Gefühl, mal rauszuwollen und etwas mehr vom Land zu sehen.
Bereits seit längerem war geplant, dass wir mit einem Teil der Community zusammen einen Kurztrip nach Juifen machen. Diese ehemalige Goldgräberstadt liegt ganz im Norden des Landes und hier lebt der Künstler Darfar Hu, der Vater einer Frau aus unserer Community. Er hatte uns eingeladen, bei ihm in seiner Werkstatt einen Workshop zu machen und uns in seine Technik der Metallbüchsencollage einzuführen. Wir fuhren früh am Morgen zu zehnt in einem Auto los und pickten auch noch TJ und Yuchen am Bahnhof auf. Der Workshop war echt super und eignete sich für unsere Kinder genauso wie für uns. Aus alten Konservendosen schnitten wir mit Seitenschneidern kleine Flächen aus und nagelten sie auf kleine Holzplatten. Mehrere Stunden waren wir alle gefesselt und arbeiteten ununterbrochen an unseren Collagen. Nelio nagelte einen Sonnenuntergang, Liam einen Tempel und einen Ritter, Sabine ein Schiff auf hoher See und ich den Blick aus unserem Fenster mit den beiden Stelzen laufenden Nelio und Liam.
Abends schlenderten wir durch das sehr touristische Örtchen, das auch durch den Schauplatz als Filmkulisse eine gewisse Berühmtheit erlangt hat. Angeblich diente der Ort als Vorlage für den japanischen Manga „Schloss im Himmel“ und war mit seinen vielen Treppchen und Gässchen echt schön! Wir probierten viele kleine Leckereien, die Kinder waren von einem retro Süßigkeitenladen ganz angetan und hatten Mordsspaß in einem Laden, in dem sie sich als alte Chinesen verkleiden und fotografieren lassen konnten. Die Nacht verbrachten wir alle zusammen in einer katholischen Kirche mit fantastischem Ausblick auf die Bucht und die Berge der Insel.
Am kommenden Morgen stiegen wir nach dem Frühstück auf einen nahegelegenen Gipfel und blickten begeistert bei herrlichem Sonnenschein in alle Himmelsrichtungen. Nach dem wir zum Mittagessen zu verschiedene süßen Suppenvarianten eingeladen wurden, fuhren wir noch zu einem Wasserfall und anschließend nach Taipeh.
Dort wollten wir uns einen Mietwagen nehmen und mit Conny zu fünft an der Ostküste in Richtung Süden reisen. Dummerweise wollten sie bei Abholung des Mietwagens eine Übersetzung meines internationalen Führerscheines, da ich bereits länger als 30 Tage im Lande weile. Welch herrliche bürokratische Hürde, die ich aber dank eines Taxiausflugs zum taiwanischen Kraftfahrzeugverkehrsamtes relativ schnell meisterte. Zwar musste ich dafür noch ein Passfoto herzaubern, was aber trotz ausschließlich chinesischer Anleitung tatsächlich am Automaten funktionierte.
Glücklich fuhren wir in einem ultra-chiquen Ford Fiesta am Abend bis nach Yilan, wo wir in einem kleinen netten Homestay die Nacht verbrachten. Insgesamt hatten wir drei wunderschöne Tage auf unserem Kurztrip, der uns am kommenden Tag weiter an der atemberaubenden Steilküste Taiwans entlang nach Hualien und dann weiter durch die Taroko Schlucht in die Berge führte. Hualien gefiel uns sehr gut, wir entdeckten in einer alten Reisweinfabrik das Kulturzentrum Zone A, aßen abends auf dem riesigen Nachtmarkt der Stadt und entdeckten viele nette Ecken und Geschäfte in der Stadt.
Die Tarokoschlucht, das Highlight eines jeden Taiwanaufenthaltes und eines der 7 Wunder Asiens, war lange nicht so überfüllt wie wir es befürchtet hatten. Vielleicht lag es daran, dass drei Wochen vorher eine große Steinlawine herunterkam und ein Teil der Strecke immer noch durch Bauarbeiten zeitweise gesperrt war. Wir erhielten zum Glück rechtzeitig die notwendigen Infos und durchquerten problemlos zu den angegeben Uhrzeiten die eingeschränkten Steckenabschnitte. Nach drei kleinen Wanderungen durch zahlreiche Tunnel und gut 50 Meter entlang und über dem Liwu-Fluß entdeckten wir noch eine atemberaubende Hängebrücke, die wir alle begeistert überquerten. Am Nachmittag kamen wir dann in Tiensang an, wo wir in einem katholischen Hostel übernachten wollten. Da noch niemand dort anzutreffen war, fuhren wir gleich weiter zu den heißen Quellen, die wir auch Dank Connys Reiseführer und einer offline Map gut fanden.
Wow, welch eine Lage! Zu Fuß über steile Treppen und über eine Hängebrücke zu den heißen Quellen. Auch wenn die Anlage in die Jahre gekommen schien, war es eine grandiose natürliche Badeanstalt aus der über 50 Grad heißes Wasser sprudelte. Voller Schwefelduft und vom heißen Bad gut geschafft erreichten wir unser toll gelegenes Nachtquartier, gingen schnell noch lecker essen und schließlich glücklich zu Bett.
Auch der folgende Tag war nicht weniger schön! Wir fuhren nach einem kurzen 7/11 Frühstück früh los und schraubten uns immer mehr in die Höhe. Nach kurzer Rast, einem Besuch an einer 1000 jährigen Kiefer und vielen kleinen Fotostops erreichten wir den mit 3250 Metern bisher höchsten Punkt unserer Reise. Neben großen Eistropfen und mit sagenhaftem Ausblick fotografierten wir uns durch das Gebirge und gelangten schließlich bei herrlichem Wetter zum blühenden Frühling auf der Westseite der Insel, wo wir noch einmal an Puli vorbeifuhren, leckeren High Mountain Oolong Tee probierten und kauften und am Ende sogar noch einen Abstecher zum Sun-Moon Lake machten.
Etwas komplizierter war wieder die Rückgabe des Mietwagens, denn wir konnten das AVIS Office am Highspeed Bahnhof absolut nicht ausfindig machen. Erst durch vieles Fragen und Telefonieren wurden wir schließlich abgeholt und zum Schalter geleitet! Conny fuhr dann mit dem Zug weiter in den Süden Taiwans und wir in die entgegengesetzte Richtung zurück zu unserer Community nach Sanyi.
Erwähnenswert war auch der Ausflug zu einem modernen Eremiten in der weiteren Nachbarschaft, der sein komplettes Haus für 300 Euro aus Rest- und Naturmaterialien gebaut hat und dort oben herrlichen Pflaumenwein anbaut und uns ausgeschenkt hat.
Oder die viel geprobte Aufführung der Wassertropfenshow in der Senior Highschool bzw. die Auftritte in der Elemantary School oder die Charity Veranstaltung im Pflegeheim in Taichung, wo wir als die vier Chinesen mit dem Kontrabass aufgetreten sind. Connys Papierschöpfworkshop, unser Ausflug mit Phyllis Familie nach Taichung zum Dumpling essen oder unsere nächtliche Fahrradtour zum Bubbel Tea Laden in die Stadt.
Insgesamt waren die verhangenen drei Wochen in Sanyi trotz der „geregelten“ Tagesstruktur sehr abwechslungsreich und voller unvergesslicher Augenblicke. Unsere Kinder wurden immer selbständiger, gingen teilweise vollkommen autonom durch ihren Tag und sprechen mittlerweile ein herrlich unbekümmertes Englisch. Besonders Nelio plappert hemmungslos drauf los, sucht sich seine Partner für Gespräche, Aktivitäten verschiedenster Art, Spiele oder zum Kochen und Backen absolut selbständig. So hat er leckere Waffeln oder einen ganzen Nachmittag Kekse gebacken, zusammen mit Mu-Di und Liam mehrere meterlange und armdicke Bambusstämme gefällt, mit Adam Puppen bemalt, Dankeskarten gebastelt oder fleißig mit Conny Papier geschöpft. Liam hat sich lieber manchmal mit Ling Ling verkrümelt um ebenfalls englisch sprechend ihre Fantasy und Kampfspiele zu spielen. Bei all den Aktivitäten war es nicht immer einfach zu proben und die profanen und etwas trockenen Unterrichtseinheiten des deutschen Schulstoffes mit einzubauen, doch meist ist es uns um die Mittagszeit, wenn die Community ihre Siesta Zeit hat, gelungen ein oder zwei Schulstunden am Stück einzuschieben. Nun brechen unsere letzten drei Wochen in Taiwan an und bei all dem was wir noch hier vorhaben scheint die Zeit zu rasen und wie im Flug zu vergehen. Morgen fahren wir mit fast der gesamten Community in Richtung Taipeh, wo wir in der Dream Community auftreten, Workshops geben, ein großes Wandbild malen sollen, aber auch Conny, Adam, Lin Ling, TJ und Yuchen verabschieden müssen!
Wir bewundern Euch, probieren uns in die Situationen zu versetzen und bekommen noch mehr Respekt. Nach jedem Bericht sind wir schon wieder auf den nächsten gespannt. Hoffentlich lesen viele, viele Menschen Eure Beiträge um so zu sehen, dass die Welt unendlich viel zu bieten hat, dass man auch mit Kindern dies alles durchleben kann. Euer Imporvisationstalent ist enorm, ob ich das selbst je gekonnt hätte? Kinder sind unglaublich flexibel und anpassungsfähig, das sieht man erstaunlicherweise auch bei den traurigen Flüchtlingsdramen, die sich ja noch immer in Europa abspielen. Und ich denke dabei an meine eigene Kindheit und die Kriegserlebnisse, die uns Kinder teilweise weniger dramatisch vorkamen (je nachdem, wie alt man war). Vor allem: Eure Kinder lernen so Respekt vor anderen Lebensweisen, Erfahrungen, die sie in ihrem späteren Erwachsenendasein prägen werden. Und wir möchten Euch unbedingt mal treffen, wenn Ihr wieder in Berlin seid und wir auch mal wieder dorthin kommen. Viel Frohsinn und gutes Gelingen bei den noch kommenden Erlebnissen.
Liebe Roswitha, vielen Dank für Deinen Kommentar und die schönen Worte. Wir genießen es auch wirklich sehr und erleben eine phantastische Zeit. Taiwan hat es uns wieder sehr angetan und es ist tatsächlich ein bisschen unser zu Hause geworden. Gerne sehen und sprechen wir euch in Berlin oder Belgien persönlich, viele Grüße Sabine und David