Schon während wir am Inle See waren, wurde uns klar, das in der ganz in der Nähe liegenden Hauptstadt des Shan Staates, in Taunggyi, ein ganz besonderes Lichterfest in der Woche vor Vollmond gefeiert werden sollte. Die Aussagen wann das Fest beginnen sollte, differierten pro Auskunft, uns wurde jedoch überall klar gemacht, das sich alle Myanmarer zu diesem Fest begeben, es entsprechend voll wird und die Hotelzimmer rar und teuer sein werden. Wir schwelgten noch leicht verklärt in Erinnerung an das zauberhafte Lichterfest in Laos und uns war klar, da müssen wir hin!
Wir sollten uns noch wundern!
Mit dem Taxi kamen wir nach kurzer Fahrt in Taunggyi an und waren erst mal entsetzt von der recht hässlichen Stadt. Hier war deutlich der Einfluss Chinas zu spüren, die Gebäude die die Hauptstraße säumten, schmucklose tropisch verrottende Betongebilde unterschiedlichster Stilrichtungen. Aber egal, wir waren ja extra für das Fest gekommen und nicht um hier eine schöne Stadt zu erkunden. Wir checkten in unser mit 55$ pro Nacht völlig überteuertes Hotel Sun Min ein und machten uns auf den Weg zum Festivalgelände, das laut Plan gleich um die Ecke sein sollte. Alle die wir fragten, versicherten uns, das sei ganz nah, da könnt ihr hinlaufen! Wir liefen und liefen und nachdem etliche rappelvolle Tuctucs mit eindeutigem Ziel an uns vorbei rauschten, schließlich einer anhielt und uns zuwinkte, sprangen wir kurzentschlossen auf die Laderampe und quetschten uns dazu. Mit allen anderen wurden wir an einer Marktstrasse entlassen und der Menschenstrom wies uns die Richtung.
Langsam kamen wir aus dem Staunen gar nicht mehr raus, die Marktstände wurden immer größer und lauter, es gab alles vom baumstammlangen Thanaka, der myanmarischer Sonnencreme, bis zu dicken Fleeceschlafanzügen, Winterjacken, unzähligen „I Love Taunggyi“ T- Shirts, China Spielzeug Tratsch, Wollmützen, Plastikgewehre und Whiskey. Dazu dröhnte aus jedem Stand aus scheppernden Lautsprechern bis zum Anschlag aufgedrehte Popmusik!
Wir wurden ähnlich wie bei einer Messe mit zuckersüßem Instantkaffee oder Zahnpasta für umsonst geködert, die Kinder mit Chuppachups Süßigkeiten beschenkt. Und dann sahen wir die ersten Ballons! Eine riesige braune Kuh schwebte am Himmel, als nächstes stiegen drei Eisbären auf und wir gelangten gerade noch rechtzeitig auf die Festwiese um mitzubekommen wie Winnie the Puh und mehrere Schafe gen Himmel schwebten!
Die Ballons waren spektakulär! Ähnlich wie Himmelslaternen wurden die aus hauchdünnem Papier selbstgeklebten gigantischen Tierfiguren nur durch heiße Luft und einen Brennkörper zum Fliegen gebracht.
Von ganz nahem konnten wir beobachten wie eine ganze Hühnerfamilie sich langsam entfaltete, spürten die Spannung der Gruppe, die sie gebaut hatte, ob sie auch abheben werden, sahen, wie ihre Körper immer praller wurden und schließlich der Sog nach oben so stark wurde, das sie in den Himmel entlassen wurden! Ein Huhn wurde von einem Windstoss erfasst, kippte zur Seite und fing Feuer und stürzte! Da bekamen wir schon eine Ahnung von der Gefährlichkeit der ganzen Veranstaltung, den das Huhn stürzte irgendwo oben am Hügel auf ein Hausdach und hat dort hoffentlich keinen allzu großen Schaden angerichtet!
Irgendwann waren die letzten Tierballons gestartet und uns war klar, wir müssen bleiben bis abends die richtig großen Ballons zu sehen sein werden.
Die Zeit dazwischen überbrückten wir auf dem wohl irrsinnigsten Rummel, den wir jemals gesehen haben. Zwei Riesenräder wurden nur durch Gewichtsverlagerung einer Horde sich durch die Gestänge hangelnder Jungs betrieben! Zwei große Schiffschaukeln spuckten dichte graue Dieselwolken aus und wurden mit dröhnender Partymucke beschallt. Dazwischen gab es skurrile Tiershows, Hüpfburgen, Glücksspiele, Kräutermedizin, Tätowierstände am Straßenrand und das bei unseren Kindern sehr beliebte Luftballonabschiessen mit zweifelhaften Gewinnmöglichkeiten (Kaugummi, Tütensuppe oder Red Bull?)
Man sollte nicht vergessen, das auch dieses Fest ein Teil des Tazaungdaing Festes war, ein Fest zu Ehren der Mönche Myanmars, und so sah man in diesem immer wilden und betrunkener werdenden Getümmel aufgekratzter Jungendlicher auch immer wieder staunende Gruppen von braunrot gekleideten Mönchen oder Nonnen in ihren leuchtenden Rosa-orangenen Gewändern.
Gegen acht Uhr war es schließlich soweit, die Festivalwiese war nur ordentlich abgesperrt und durch ein Tor hielten die einzelnen Gruppen unter Getrommel und Gesang mit ihrem Ballon Zugang zum Platz. Mittlerweile war es empfindlich kalt geworden und wir bibberten in unseren dünnen Kleiderschichten und beneideten die Myanmarer um ihre Wollmützen.
Das erste Ballonteam machte sich bereit, langsam wurde der fragile Ballon entfaltet und mit großen Fackeln wurde er von unten aufgeheizt, er entfaltete sich langsam und auf der Seite erschien ein wunderschönes Buddhagesicht mit verträumt geschlossenen Augen. Als er zu voller Größe aufgeblasen war wurde er einmal gedreht, damit er von allen Seiten bestaunt werden konnte. Jubel brach los! Unten wurde ein quadratischer Körper befestigt und ganz zum Schluss der Brennköper in der Mitte entzündet. Als er in den Himmel aufstieg, erwartete uns die eigentliche Überraschung, in seinem angehängten Korb entzündeten sich hunderte von Raketen, die nach und nach abbrannten und sich als gigantisches Feuerwerk über uns entzündeten!
Wir schafften noch ein zwei Ballons bis wir uns mit unseren müden durchgefrorenen Kindern auf den Heimweg machten.
Den nächsten Tag ließen wir etwas ruhiger angehen, wir machten ein bisschen Schule und versuchten unsere Weiterreise per Zug zu organisieren. Die vergebliche Suche nach einem Reisebüro endete dann in einem Handyladen, wo David einfach die Angestellten fragten, ob sie wüssten, wann der Zug fährt. Ratlose Blicke, schließlich wurde uns ein Handy in die Hand gedrückt, am anderen Ende eine gut Englisch sprechende Freundin. Die rief für uns am Bahnhof an, rief uns zurück, und schon hatten wir alle Infos die wir brauchten!
Wir schlenderten über den riesigen Markt, auf dem viele Billigwaren aus China aber auch Unmengen an Gemüse, Obst und Blumen angeboten wurden. Kurz vor dem Mittagessen bewahrheitete sich eine weitere Myanmar Warnung: Liam konnte ich gerade noch vor dem großen Loch im Gehweg warnen, doch Maribel kam gleich hinterher gehüpft und verschwand mit einem Bein zur Hüfte im Boden! Zwar hat sie einen großen Bluterguss davon getragen, aber weiter ist zum Glück nichts passiert, also Augen auf!
Anja schaffte es tatsächlich mit Maribel und Liam einen Mittagsschlaf zu machen und am Abend zogen wir, dieses Mal mit dicken China Pullis vom Markt ausgerüstet, noch ein zweites Mal zum Festival. Wir wollten vor allem die leuchtenden Ballons nachts sehen.
Routiniert schoben wir uns über den vollen Markt und erwarteten mit Spannung den ersten Ballon.
Wir wurden belohnt! Der erste Ballon wurde von außen über und über mit brennenden Kerzen behängt verschwand, märchenhaft beleuchtet gen Himmel.
Dieses Mal hatten wir uns wohlweislich auf der anderen Seite der Wiese platziert, den Wind im Rücken, denn die Ballons flogen mitunter noch recht Dicht über den Köpfen der Zuschauer hinweg und die Feuerwerkskörper entzündeten sich oft schon in geringer Höhe und kamen dann mitten in den Zuschauermengen nieder. Ein wunderschönes aber auch nicht ungefährliches Spektakel!
Vom zweiten Ballon wurden wir dann doch überrascht, den der schoss seine Feuerwerkskörper waagerecht nach allen vier Seiten ab, kaum war er vom Boden abgehoben. Zum Glück wurden wir kurz vorher von einem neben uns stehenden Mann gewarnt und als alle um uns zu rennen anfingen, packten auch wir unsere überraschten Kinder und rannten mit!
Von dem Schreck mussten wir uns erstmal erholen und zogen uns zum Abendessen zurück. Liam ereilte dort gleich der nächste Schrecken, den beim Biss in den Maiskolben verlor er doch etwas überraschend seinen ersten Vorderzahn und präsentiert sich nun mit großer Zahnlücke!
Auf dem gesamten Festgelände waren überraschend wenig Touristen anwesend. Touristen aus ganz Myanmar jedoch in Hülle und Fülle und es machte sich durchaus bemerkbar, das wir an der äußerten Grenze der bereisbaren Gebiete Myanmars waren. Viele Besucher kamen aus den Bergen im Umland und hatten vor allem westliche Kinder noch nie zu Gesicht bekommen. Manchmal war nicht ganz klar, was die größere Attraktion ist, die Ballons, oder unsere Kinder. Wir wurden sehr neugierig beäugt und unsere Kinder begannen ihre Karriere als Myanmarische Fotomodelle!
Das Ballonfestival würde so sicherlich in keinem einzigen europäischen Land eine Genehmigung erhalten, auch lasen wir dann später, das es immer wieder zu tragischen Unfällen kommt. Uns hat es mit all seiner Wildheit, seinen wunderschönen Ballons, der Spannung die in der Luft liegt, bevor ein Ballon abhebt und all seinen Kontrasten tief beeindruckt!
Lasst euch nicht von den malerischen Fotos täuschen, sondern stellt euch noch kurz das dröhnende Musikgewitter einer Livebühne von hinten und der völlig überdrehte Rummel von neben an vor. Unsere Erwartungen an ein verzaubertes Lichterfest à la Luang Prabang wurden ganz und gar nicht erfüllt, dafür bekamen wir etwas ganz anderes zu sehen!
Ich frage mich ja bei dem ersten Liams-Zahn-fehlt Bild, wie ihr so schnell ein Foto machen konntet? Jedenfalls sieht er zwei Bilder später wieder versöhnt aus.
Sehr schöne Bilder übrigens.
Tja, du kennst doch David, immer die Kamera im Anschlag!
Die rosa Zuckerwatte war dann die Entschädigung für den Schreck!