Big in Japan oder Lost in Translation?
Seit 5 Tagen juckeln wir jetzt mit unserem Campervan durch Japan. Schon komisch, so ein Aufenthalt von zwei Wochen! Mit dem Kopf bin ich noch halb auf der Playa beim Burning Man, oder auch schon in Gedanken voraus in Vietnam.
Und Japan ist jedenfalls gaaaaanz anders als Kalifornien, zu allererst einmal sehr sehr grün und auch manchmal sehr fremd. Wir durchleben ein tägliches Wechselbad der Gefühle und schwanken zwischen fasziniert, entzückt, befremdet und gar nichts kapieren.
Der Jetlag hatte uns die ersten zwei Tage schwer im Griff, da unsere Körper auf USA gepolt waren: abends todmüde und morgens sehr sehr früh wach. Standard Aufstehzeit circa 5:30! Dafür wird es auch sehr früh dunkel, also was soll’s!
Zum Glück kamen der Taifun, die Flutkatastrophe, das Erdbeben und der Vulkanausbruch alles schon in der Woche vor unserer Ankunft und so genießen wir hier eigentlich ganz angenehmes, sommerlich feuchtwarmes Wetter.
Unser allererster Ausflug führte uns zu den Tempeln in Narita. Dort haben wir auch unseren Camper bei sehr netten Polen, die sich auf Campervermietung für Ausländer spezialisiert haben, gemietet. Die Tempel waren gleich um die Ecke und wir hatten die gesamte Tempelanlage bei leichtem Nieselwetter komplett für uns alleine, konnten alles in Ruhe erkunden, die verschiedenen Tempelrituale beobachten, die Menge der käuflich zu erwerbenden Glücksbringer für alle möglichen Zwecke bestaunen, den verwunschenen Park genießen und uns langsam auf Japan einstimmen, was absolut herrlich war!
Unsere erste Nacht verbrachten wir auf einem typisch japanischen Rastplatz, auf denen es möglich ist, umsonst zu übernachten. Gejetlagged kamen wir ziemlich früh an, und konnten am nächsten Morgen feststellen das wir nicht die Einzigen waren, die die Nacht dort verbracht hatten. Der Parkplatz war voll und aus winzigen Autos schälten sich ganze Familien! Da hatten wir es richtig luxuriös mit unserem ausklappbaren Faltdach!
Beim Fahren hatten wir schon mehrfach festgestellt, das unser Camper kein bisschen grösser hätte sein dürfen! Manche Straßen sind winzig und wir beten jedes Mal, dass uns keiner entgegenkommt!
Wir fuhren weiter auf sündhaft teueren Autobahnen zu unserem nächsten Ziel Kamamura.
Dort machten sich die beginnenden Ferien der Japan bemerkbar, denn wir waren nicht die einzigen, die dieses Ziel hatten. Durch die Fußgängerzone schoben sich mit uns noch viele andere. Für uns ganz vergnüglich, denn so konnten wir im Strom mit schwimmen, durch die kleinen Lädchen bummeln und uns durch etliche Versucherlis, die in den Geschäften angeboten wurden, durchprobieren. Nelio und Liam waren große Fans eines Honigladens, David und ich mochten eher das Herzhafte und kosteten uns durch allerlei eingelegte Pilze, Rettiche, Bambussprossen, blauweißen Auberginen und Rüben. Aber natürlich gab es in Kamamura auch Tempel zu sehen!
Danach wollte Liam unbedingt endlich Sushi Essen und wir landeten nach einigem Suchen in einem Sushi Circle Restaurant. Das Sushi war super lecker und wenn es einem gelang, zu dem etwas ignoranten Koch durchzudringen, der scheinbar immun gegen nicht japanische ungelenke Riesen war, konnte man auch Sushi frisch nach Wahl bestellen. Hier sind wir die Brobdingnags!
Unser nächster Stop führte uns in die Berge nach Hakone. Auf einem weiteren Rastplatz erblickten wir früh morgens den Mount Fuji und genießen die Aussicht, bis er wieder hinter den Wolken verschwindet und sich danach nicht mehr blicken lässt. Wir besuchten einen der fünf Seen um den Fuji, den Yamanaka-ko, oder wie Nelio ihn gleich taufte: Futsch Futsch!
Dort fand endlich die obligatorische Tretbootfahrt statt: wir hatte die Wahl zwischen einem Hubschrauber, einem Wahl oder einem schwanenförmigen Tretboot! Der Hubschrauber machte das Rennen! Nachdem wir dann auch die gigantischen Karpfen am Ufer gefüttert hatten, verging uns allen plötzlich die Lust aufs Baden im See. Stattdessen badeten wir in einem Onsen, einer Art Japanischem Thermalbad.
Das war so toll! Erstmal mussten wir uns in jede Menge japanischer Verhaltensregeln einarbeiten: Schuhe ausziehen, in Schließfächer stellen und das Bad getrennt nach Frauen und Männern betreten (herrlich, ich hatte anderthalb Stunden meine Ruhe!).
Zuerst ging man in einen Waschbereich, wo ausgiebig geschäumt und geseift wurde, Seifen und Shampoo gab es vor Ort. Danach hatte man die Wahl zwischen drei verschieden warmen Becken innen und zwei weiteren Aussen. Der Blick auf den japanischen Garten war herrlich!
Nach dem Baden trafen wir uns in einem riesigen Raum voller Tatamis und niedrigen Tischen zum Essen. Man bezahlte an einem Automat, ausgewählt wurde nach einem Bild und das fertige Essen wurde dann vom Koch aufgerufen! Ich hatte ein sehr merkwürdiges, sehr schleimiges Essen mit Okkraschoten, Ei und Reis.
Die Nacht verbrachten wir auf dem krassesten Parkplatz überhaupt! Direkt an einer riesigen Straße und um uns herum Lastwagenfahrer, die mit laufendem Motor ihre Aircos betrieben!
Der nächste Tag verlief etwas vergurkt, wir mussten erst Tanken, was ein Glück war, denn in irgend einem kleineren Ort entdeckten wir ein typisches Nudelsuppen Frühstückslokal und die längste Fussgängerholzbrücke der Welt (?). Nelio und Liam bestanden darauf, das das Wochenende jetzt vorbei sei und jetzt Schule gemacht werden müsse. Also wurden die beiden beschult und ich genoss einen Spaziergang alleine über die Brücke.
Danach wollten alle nochmal über die Brücke! Ich ging also zwei mal hin und her!
Am Strand von Hamamatsu gab es dann erst ein großes Familiendrama mit anschließendem Familienrat, Thema war das iPad spielen und dann kein Ende finden, wenn wir am Strand angekommen sind!
Am Ende des Tages standen wir im Stau vor Nagoya und beschlossen kurzerhand zur Töpferstadt Tokaname abzubiegen. Als wir dort ankamen hatten die Töpfer zwar schon zu, in manchen Orten werden hier um 5 Uhr die Gehsteige hochgeklappt (wie meine Mutter immer zu sagen pflegt), wir wanderten aber durch nette kleine enge Gassen und landeten dann hungrig bei ein paar Restaurants von denen Nelio ausgerechnet den Pizza Lieferservice auserkoren hatte.
Kein Problem, denn nebenan gab es eine Bar, in der man sein eigenes Fleisch am Tisch Grillen konnte, also kombinierten wir beides! Schlafplatz des Tages wurde ein Parkplatz einer Schule gleich hinterm Deich direkt am Meer.
Mittlerweile haben wir es ein bisschen aufgegeben nach lauschigen Schlafplätzen zu suchen, Hauptsache wir stören keinen, müssen nicht nochmal umziehen und es ist nicht zu laut! Nelio und Liam leiden ein wenig und sehnen sich nach einem ordentlichen Campingplatz, wo wir ’ne Weile bleiben können, doch den scheint es wohl nicht zu geben!
Am nächsten Tag hatten wir genug vom Rumgegurke, von doch etwas öden Stränden und wollten auf dem schnellsten, wenn auch teuersten Weg nach Kyoto. Der dauerte dann mit dem umfahren einiger Staus trotzdem eher 4 als 2 Stunden – man kommt hier wirklich eher langsam als schnell voran! Aber wir kamen an und landeten mitten im dichtesten Gewusel zwischen lauter Tempeln, engen Gassen, japanischen Touristen und überteuerten Parkplätzen im Kyotoer Viertel Higashiyama. Wir folgten dem Strom der Menge Trepp auf Trepp ab, fühlten uns wie auf dem Rialto in Venedig und landeten am neon!-orangesten Tempel den ich je gesehen hatte, dem Kiyomizu-dera. Nelio und Liam entdeckten dort den Sport des Tages: Geisha Stalking! Unmengen japanischer Mädchen und auch Jungs hatten sich gegen Geld als Geishas ausstaffieren lassen und trippelten mehr oder minder eleganten Schrittes durch die Tempelanlagen – und Nelio und Liam mit Fotoapparat immer hinterher! Etliche der Mädchen fanden aber Nelio und Liam mindestens genauso interessant und so wurden die beiden zum gemeinsamen Selfie eingeladen!
Kyoto ist echt riesig und wir machten uns auf in Richtung Arashiyama zum Bambuswald, um dort den nächsten Schlafplatz zu suchen und landeten nichtsahnend gleich im nächsten Rummel! Auf einem abgelegen Bergsträsschen wurden wir dann aber fündig.
Am nächsten Morgen waren wir dann so früh vor Ort, das die Tempel gerade erst aufmachten! Wir gingen durch den Bambuswald und landeten beim Zen Tempel Tenryu-Ji, der zum UNESCO Kulturerbe gehört. Der Garten war wirklich so atemberaubend schön, dass mir fast die Tränen kamen! Nie wieder werde ich irgendwelches Moos aus meinem Garten weg vertikutieren, nachdem ich gesehen habe, wie schön Moos sein kann! Der ganze Tempel war sehr schlicht, aber alle mit Tatamis ausgelegten Räume hatten mit Papier bespannte Wände und Öffnungen, die die Blicke in den Garten wie Bilder rahmten!
Nelio und Liam waren morgens in Meckerstimmung, dann aber Feuer und Flamme als wir zum Affenberg wanderten. Hoch oben über Kyoto leben 140 wilde Makakken. Lustiger Weise sitzen die Menschen in einem großen Käfig um die Affen zu füttern!
Nach diesem Berg waren wir alle etwas Fußmüde und erholten uns im Café bei leckerer Macha-eiscreme und Schule on the Road !
Kyoto ließ uns noch nicht los, also blieben wir noch ne Nacht!
Japan, Teil 1, Fortsetzung folgt…
Unsere lustigsten und erstaunlichsten Japanmomente:
- Gleich am zweiten Tag hatte Liam und ich das das Gefühl wir seien jetzt schon Profis in der Benutzung japanischer Toiletten. Wir wussten schon, es gibt beheizbare Sitze, Duschen für den Po, eine Bidetfunktion und ein Spülgeräusch gibt, damit die Wartenden sich durch die lauten Toilettengeräusche anderer Klobesucher nicht peinlich berührt fühlen müssen. Was wir nicht wussten war, dass sich Kinder bei der Betätigung der Podusche so aufs Klo setzten sollten, dass die komplette Klobrille bedeckt ist. Und so verlies Liam die Toilette nicht mit einem geduschten Po, sondern mit einem frischgeduschten T-shirt!
- Im Supermarkt in Kyoto hatten wir alle großen Appetit auf frisches Obst. Wir streunten durch den Markt, bestaunten alles und blieben dann bei einem Sonderangebot in der Kühltheke hängen: zwei faustgroße Fischaugen für grade mal 100 Yen, das ist weniger als ein Euro!
- Nachdem wir gefühlt tagelang immer nur beim 7/11 oder einem anderen kleinen Supermarkt eingekauft hatten, erwuchs in uns der Wunsch, einmal einen richtig großen Supermarkt zu besuchen. Wir machten also einen ausgedehnten Bummel durch einen riesigen Laden, hatten den Wagen voll mit auserwählten Leckereien und mussten an der Kasse feststellen, dass man nur Cash bezahlen konnte??? David blickte kurz in seinen Geldbeutel und meinte, das Geld reicht aber nicht! Kein Problem, es gibt ja überall ATM Maschinen. Quasi an der Hand eines Japaners wurde David zum Geldabheben geleitet und musst feststellen, das der Automat internationale Kreditkarten nicht akzeptierte. Mist! Nelio und Liam wurden mittlerweile immer müder, der Supermarkt war am Zumachen und die Kassiererinnen schenkten unseren müden todtraurig aussehenden Kindern Lollis. Okay, dann nehmen wir also nur das aller Notwendigste, die Sushis im Sonderangebot, Brot und Eier fürs Frühstück und nicht den japanischen Whiskey. Ich packte alles um, in der Annahme wir hätten umgerechnet circa 10,- zur Verfügung. Die Kassiererinnen halfen eifrig mit, bis David seinen letzten Geldschein aus der Tasche zog und plötzlich ein Lachen über ihre Gesichter ging. Wir hatten nicht wie angenommen 1000 Yen, sondern noch 10 000 Yen, also fast 100€. David hatte eine Null übersehen und wir konnten unseren Einkauf locker bezahlen, denn so teuer ist Japan dann auch wieder nicht!