Unser Ankommen in Jawa war herzlich und total easy. Leli und Yudi empfingen uns direkt am Gate und packten all unsere Taschen und Rucksäcke in ihr schickes großes Auto, das uns in den nächsten Tagen viel durch die Gegend kutschieren sollte. Anschließend fuhren wir lecker indonesisch essen und diesmal statt Stäbchen und die für uns in Bali so ungewohnten Gabeln und Löffel, konnten wir endlich wieder mit den Händen essen!
Das muslimische Land und seine leckere Küche empfahlen sich sofort und wir speisten wirklich sehr lecker. Danach wurden wir in ihr neues Wohnhaus gebracht, das etwas außerhalb der Stadt und dem dichten Gedränge in einem Dorf auf einem kleinen Berg liegt. Die beiden jugendlichen Söhne Qolbi (14) und Dzikri (17) räumten eines ihrer Zimmer und so hatten wir zwei kleine Zimmer mit jeweils einem größeren Bett für uns. Wir hatten die gesamte Familie, die einige Jahre in Deutschland gelebt und studiert hat, vor knapp vier Jahren in Berlin bei Freunden kennengelernt. Alle vier schwärmen immer noch von ihrer Zeit in Freiburg, Halle und Berlin und wenn alles klappt, dann werden sie demnächst noch ein weiteres Jahr in Deutschland verbringen.
Leli und Yudi arbeiten an der Uni in Bandung und hatten uns eingeladen an ihren jeweiligen Fakultäten Workshops und Lectures zu geben. So verbrachten wir die knapp fünf Tage zwischen ihrem kleinen Häuschen und der Uni, die nicht allzu weit entfernt liegt. Trotzdem bedeutete es, dass wir täglich fahren mussten und sie uns teilweise mehrfach am Tag hin und her kutschieren mussten. Die Uni erwies sich als Stadt in der Stadt, wo man nicht nur studieren, sondern auch hervorragend essen und sich sogar medizinisch betreuen lassen kann. Gerade letzteres war dann leider doch von Nöten, da Sabine und Nelio beide Fieber und Schüttelfrost bekamen.
Doch step by step, denn zunächst einmal hieß es, unseren Workshop bei Leli und an der Fakultät für kindliche Früherziehung vorzubereiten, bei dem wir kubistische Masken bauen wollten. Dafür fuhren wir am Mittwoch, unserem zweiten Tag, in eine Art erweiterten Supermarkt, der im hinteren Bereich auch eine Baumarkt Abteilung hatte. Dort kauften wir Pinsel, Farben, Holzstäbe und Heißklebepistolen. Die notwendigen Pappen sollten die Studierenden selbst mitbringen. Anschließend versuchten wir gleich unsere Zugtickets für die Weiterfahrt am Sonntag nach Solo zu erwerben, was sich dann doch recht kompliziert gestaltete. Erst hieß es, wir können die Tickets einfach im Supermarkt kaufen, doch nach mehreren Supermärkten, in denen die Computer abgestürzt waren, hieß es schließlich, dass immer nur zwei zusammenhängende Tickets in einem Waggon zu kaufen seien, was für uns mit den Kids natürlich blöd gewesen wäre. Also doch zum Bahnhof fahren, was bei all dem Stau und Verkehrschaos in Bandung schon ein Unterfangen an sich darstellt. Endlich angekommen zogen wir schließlich die Wartenummer 212, und das, wo gerade die Nummer 110 dran war! Also dann lieber doch ein erneuter Versuch an einem der dortigen Automaten. Mit Hilfe eines netten Mitarbeiters gelangten wir auch in das entsprechende Menü, benötigten jedoch zum Kauf unsere Passnummern. Da wir unsere Pässe jedoch nicht dabei hatten, mein Bali-Handy nicht funktionieren wollte , forschten wir in einem langsamen WLAN Netz nach alten Mails mit den Passnummern. Als wir endlich die Nummern fanden, konnte man natürlich nicht mit ausländischen Kreditkarten bezahlen und so mussten wir erst wieder einen der lokalen Bankautomaten mit der Maximalsumme (!) von umgerechnet 90 Euro erleichtern. Dann schließlich gelangten wir zum Ziel und buchten unseren Zug, der uns am Sonntag früh 9 Stunden durch Java in Richtung Süden fahren sollte. Den Rest des Tages verbrachten wir an der Uni, wo wir getrennt (die Kinder mit Leli , Sabine und ich mit Yudi) durch die Uni und ihre Fachbereiche geführt wurden. Schließlich trafen wir uns bei Qolbis Kampfsportlehrer alle wieder, unsere Kinder erhielten noch eine Einführung in indonesische Kampfkunst und einen echten Pencak Silat Dolch geschenkt.
Der Workshop am kommenden Tag fand in einem kleineren Audimax vor knapp 100 meist weiblichen Studierenden statt und hat viel Spaß gemacht. Nach einem ausgedehnten Shake-Hands mit dem Dekan und einem Versuch seinerseits über Fröbel, Pestalozzi und Montessori in einen Fachaustausch zu gelangen, betraten wir alle gemeinsam den gefüllten Hörsaal, wo ein großes Banner mit unseren Namen und Konterfeis an der Wand hingen und wir mit traditionellen Tanzeinlagen und kurzen Reden offiziell begrüßt wurden. Unsere Kinder schienen etwas schlaftrunken und gelangweilt, sollten anschließend mit auf die Bühne und Leli übersetzte für uns alle vom Deutschen direkt ins Indonesische. Insgesamt war es für uns alle ungewohnt mit anderen wieder so viel deutsch zu sprechen, denn auch in der Familie redeten ja alle deutsch. Leider fühlte sich Nelio immer unwohler und konnte nicht beim Maskenbau mitmachen.
Das Grundieren der Masken dauerte seine Zeit, war mit der billigen, schlecht deckenden Farbe recht schwierig und insgesamt eine logistische Herausforderung, eine so große Teilnehmerzahl in einem Hörsaal mit Farbe, Pinseln und Scheren auszustatten. Schließlich ließ Leli alle Stühle so weit wie möglich beiseite schieben und die hauptsächlich mit schicken Sarongs und Kopftüchern ausgestatteten Studentinnen auf dem Boden arbeiten. Während des Trocknens der Farbe berichteten wir von unserer Reise, unseren künstlerischen Arbeiten und der Idee kubistische Masken anzufertigen. Schließlich klappte es dann doch alles ganz gut und trotz der wenigen Zeit von knapp drei Stunden wurden fast alle fertig und konnten am Ende doppelgesichtige Masken (mit einer in schwarz-weiß bemalten Vor- und Rückseite) präsentieren.
Auch Liam war schnell und zielstrebig wie immer und hatte seine Maske genau wie Sabine schnell fertig. Nelio hing wie ein Schluck Wasser in der Ecke und ich versorgte alle mit Farben und Malutensilien. Am Ende des Workshops gab es wieder zwei lustige Tanzeinlagen, ein kleines Anklung Konzert (klassisches Musikinstrument aus Bandung) und wir „Jungs“ bekamen traditionelle Kopfbedeckungen, Sabine ein gebatiktes Halstuch und alle zusammen erhielten wir noch eine Erinnerungstafel mit unseren Namen.
Das anschließende Aufräumen funktionierte wie der Blitz und Leli führte uns als weiteres Dankeschön dann noch in das hochschulinterne Restaurant, wo wir super lecker zu Mittag aßen. Wir erwarteten eine Art Mensabesuch, doch was uns erwartete war eher ein 5 Sterne Lokal mit ausgezeichnetem Essen zu unfassbar günstigen Preisen!
Auch Nelio versuchte noch etwas zu essen, doch wurde klar, dass er krank wird und dringend nach Hause muss. Also wurde Yudi gebeten, uns nach Hause zu bringen und das Fieberthermometer zeigte bereits 39 Grad. Am selben Abend bekam auch Sabine plötzlich und unerwartet Schüttelfrost und Fieber. Beide gingen früh schlafen und wir hofften, dass es sich schnell wieder legen würde, da wir ja am kommenden Tag wiederum einen Workshop geben sollten, diesmal mit dem Fokus auf Sabines Malerei und das Ganze in der Fakultät Bildende Kunst. Leli organisierte sogar noch eine traditionelle Javanische Massage für Sabine, doch bei ihren Gliederschmerzen könnte sie es kaum genießen und es half nicht wirklich.
Doch Sabine war am kommenden Morgen dazu leider nicht in der Lage und nach längerer Beratung kam Yudi, der bereits morgens um halb sieben zur Uni muss, uns abholen und fuhr Sabine und Nelio gleich in die Uniklinik, die ebenfalls auf dem Campus angesiedelt ist. Ich hingegen versuchte den Workshop und die Lecture mit dem Schwerpunkt auf Sabines Malerei ohne ihre Anwesenheit durchzuführen. Erst dachten wir, den Vortrag ganz abzusagen, doch das nette vorsichtige Nachfragen von Leli und Yudi deuteten bereits daraufhin, dass es doch für sie und die Uni sehr schade wäre, wenn es ganz ausfallen müsste.
Ich gab mein bestes und erläuterte voller Überzeugung und mit der Erfahrung, ihr zumindest beim Wandbildmalen intensiv über die Schulter geschaut zu haben, ihre Malweise und ihr künstlerisches Vorgehen. Über 120 Studenten drängten sich in der Malwerkstatt und in dem praktischen Teil saßen und malten sie auf und neben den Tischen und gingen dafür auch raus auf den Campus. Die an meinen kurzen Vortrag anschließende Diskussion war sehr lebendig und es gab zahlreiche Kommentare und Fragen. Da es aber Freitag war, war gegen 11 Uhr allerdings schon eine erhebliche Aufbruchstimmung zu bemerken. Insbesondere die Männer hatten es eilig, um noch rechtzeitig in die Moschee zum Gebet zu kommen. Die Kollegen ließen alles einräumen und luden mich ein, ihnen zu einem kleinen Restaurant außerhalb der Uni zu folgen. Es gab ein leckeres Mittagessen und anschließend wurde ich in die Obhut zweier Assistentinnen übergeben, die mir noch eine naheliegende Galerie mit dem Werk des indonesischen Malers Popa zeigten.
Im Dekanat unterhielten wir uns weiter sehr angeregt unf der Kreis wuchs wieder an, da die Männer aus der Moschee zurückkamen. Ich musste zahlreiche Fragen zur Kunst und zu Deutschland im Allgemeinen beantworten, bekam noch feierlich eine Urkunde überreicht und fuhr anschließend mit Yudi nach Hause zu meiner kranken Familie. Den Nachmittag und auch den folgenden Samstag verbrachten wir fast ausschließlich zu Hause bei unseren Gastgebern. Leli kochte lecker indonesisch, ich setzte die importierte Kuckucksuhr in Gang, Liam spielte eifrig mit dem zahlreich vorhandenen Lego und Star Wars Spielzeugen und Nelio erholte sich langsam. Liam und ich erkundeten noch die Gegend um unser Haus, Liam fütterte Kühe und wurde zum Pferdereiten eingeladen.
Am letzten Abend luden wir die Familie noch mal zum Pizzaessen ein. Nelio war wieder so fit, dass er mitkommen konnte. Die Fahrt durch die absolut verstopften Straßen dauerte über eine Stunde! Der Verkehr in Bandung ist einfach krass, so kommt man auch ohne Parkwächter nicht aus einem Parkplatz, der dafür mit einem „Laserschwert“ bewaffnet erstmal den Verkehr aufhalten muss!
Sabine blieb schlafend im Bett und kam nur ab und an zum Essen oder Toilettengang hinaus. Trotzdem entschieden wir uns, am Sonntag in aller Frühe aufzubrechen und mit dem Zug nach Surakarta (Solo genannt) zu fahren. Wir mussten uns sehr beeilen und Yudi fuhr sehr rasant durch die zum Glück vergleichsweise leeren Straßen.