Bagan – hunderte von Pagoden im Abendlicht

Geschrieben von David

Nun also aus den Bergen, raus aus dem Shan Staat in die flache Ebene, zum legendären Irrawaddy, ins sagenumwobene Bagan. Da der Zug nur auf großen Umwegen zu fahren scheint und sehr sehr viel Zeit benötigt, reisen wir nun doch mit dem Bus. Als der Bus nach längerem Warten eintrifft, ist beim Einsteigen wenig Zeit und unsere gebuchten Sitzplätze leider besetzt. So müssen wir uns im Bus verteilen, viel weiter hinten sitzen als gedacht und uns zumindest so platzieren, dass die Kinder einigermaßen in Reichweite sind. Schon nach wenigen Minuten wird klar, dass die Fahrt rasant und kurvenreich wird, dass die Straßen schlecht sind und die Sicht atemberaubend ist.


Wir schlängeln uns schlangengleich durch die Berge, der Bus muss in den Kehren fast anhalten und laut hupend rast er um die engen Kurven. Es dauert keine 20 Minuten, da wird den Kindern schlecht, Anja muss neben Maribel stehend fahren und Sabine darf „freundlicher Weise“ mit Nelio auf dem Schoß weiter vorne sitzen. Ich klammere mich an meinen Vordersitz, versuche den Horizont zu erblicken und drücke meine Akupressurpunkte am Handgelenk und unterstütze so die von meiner lieben Mutter geerbten „Kotzbänder“. Neben und vor uns werden fleißig kleine schwarze Plastiktüten mit und ohne Inhalt herumgereicht oder aus dem Fenster geworfen! Mit etwas zitternden Knien machen wir nach einer guten Stunde halt: Pinkelpause und Mittagessen in einem überteuerten Straßenlokal. Auf dem englischsprachigen „menue“ steht auch brav: Please ask the price before order!“ Wollen wir wirklich etwas auf unsere flauen Mägen essen? Aber gleich warnt eine Durchsage auf Englisch: „This is the last Stop before Bagan!“. Okay, bis dahin sind es noch mehrere Stunden, also essen wir!
Auf dem zweiten Teil der Fahrt sitze ich mit Nelio auf dem Schoß vorne und Liam und Maribel zusammen weiter in der Mitte. Die Fahrt wird ruhiger und schon von weitem sieht man den Mount Popa, eines der heiligen Wahrzeichen der Region. Bereits 20 Kilometer vor der Stadt endet unsere Fahrt und zusammen mit ca. 8 anderen Touristen steigen wir aus dem Bus. Nach kurzen Preisverhandlungen steigen wir in ein Taxi um und lassen uns in die Stadt fahren, entdecken bereits die ersten der hier so zahlreichen alten Pagoden und sind glücklich angekommen zu sein.

Die nächsten 5 Tage wohnen wir verteilt, Anja und Maribel haben sich für eine günstigere Bleibe entschieden und gastieren im Bagan Beauty, das seinem Namen durch dünnste Pappwände und einem echten englischen Garten alle Ehre machte. Wir haben den Kindern einen Pool versprochen und wohnen mit einem Stern versehen etwas nobler und bekommen morgens sogar ein leckeres Frühstücksbuffet. Die Kinder lieben den etwas stillosen Hotelbau und haben ein wunderbares großes Labyrinth aus Gängen und Fluren, in denen sie ausgiebig und nicht immer leise Verstecken vor dem Dienstpersonal spielen.


Schon am ersten Abend landen wir in einem kleinen Lokal genau neben unserem Hotel, in dessen Backstage-Bereich und Küche wir von unserem Hotelzimmer aus direkt hineinschauen können. Dieses Lokal mit den verschiedenen Brüdern Cousins und Freunden seines Besitzers wird der Dreh- und Angelpunkt unserer täglichen Aktivitäten. Die Kinder beschließen, dass es hier das beste Essen seit Wochen gäbe und verschlingen neben Mutton Curry zig Portionen Kartoffeln und leckerste Tamarindenkekse zum Nachtisch. Bei diesem netten Wirt erhalten wir wichtige Infos, Taxiservice, Bootstickets und auch Elektrobikes, mit denen wir in der nächsten Tagen mehrfach durch Alt und Neu Bagan kurven werden. Ansonsten ist unser Blick vom Zimmer in die Küche des Restaurants eine weitere Bestätigung von Sabines Theorie, das vermeintlich bessere Restaurants eigentlich nur nach aussen hin hübscher oder einladender aussehen, sich im Hintergrund aber überall die gleiche sehr einfache Küchensituation, quasi im Hinterhof unter freiem Himmel verbirgt.


 Elektrobikes sind hier tatsächlich ein wunderbar leiser Segen und für uns das geeignetste Verkehrsmittel seit langem. Die Kinder haben einen eigenen richtigen Sitz, wir dürfen sie auch als Touristen offiziell benutzen, wir kommen überall, auch die kleinsten sandigen Pisten, entlang, sie sind herrlich leise und bei der doch recht heißen Mittagssonne ist die Motorunterstützung wunderbar.

Bagan ist durch verschiedene geschichtliche und machtpolitische Veränderungen und Umsiedlungsaktionen in drei große Bereiche geteilt: wir wohnen mit Neu-Bagan in dem Teil, in dem es zahlreiche Hotels und Restaurants gibt und wo ein Großteil der hier lebenden Myanmarer ihre Bleiben haben. Auch hier gibt es einige alte Pagoden, doch die meisten befinden sich in Alt-Bagan, wo man von Ruine zu Ruine, von Tempelanlage zu Tempelanlage schlendern oder eben besser biken kann. Den Hafenbereich und das geschäftigere Treiben herrscht schließlich Nyaung U, wo wir schließlich auch zur Abreise unser Boot in Richtung Mandalay besteigen.


 Bagan als Ganzes beeindruckt uns alle! Die Mischung aus atemberaubender Landschaft, Architektur vergangener Zeiten und unglaublichen Wetter-Licht-Farbspielen, gepaart mit religiösen Zeremonien, virtuosem Marionettenspiel, freundlichen Myanmarern und den Vorteilen der Elektromobilität runden unseren Aufenthalt dort perfekt ab. Auch wenn wir auf die fast 400 Euro pro Person teure Heißluftballonfahrt verzichten, erleben wir unglaubliche Stunden bei Sonnenauf- und -untergang. Unvergessen bleiben uns allen, wie wir am Abend auf die alten Pagoden klettern konnten und staunend über die rauchig neblige Tempellandschaft auf die untergehende Sonne und das Farbspiel am Himmel schauten.


  
 Auch die Kinder sind glücklich, spielen vormittags am Pool und haben ihren Spaß an unseren Querfeldeintouren mit den Elektrobikes. Morgens machen wir Schule am Pool und Abends sitzen wir bei leckerem Curry bei unserem Nachbarn im Restaurant.


Den gesamten zweiten Tag verbringen wir in den Pagoden und Tempeln, fahren durch Alt-Bagan und umrunden die alten Festungsmauern. Liam lenkt uns zu einer traditionell webenden Longneck-Woman, bei der sich Sabine einen wunderschönen Schal kauft.

 Den ersten Sonnenuntergang erleben wir ganz einsam auf einer Pagode und schauen in den wundervollen Abendhimmel, der sich großartig rot blau silberschimmernd verwandelt und die meist rötlich-braunen Pagoden im weißen Nebel wie urzeitliche Raketenüberbleibsel in den Himmel blicken lassen.

 Unseren dritten Tag verbringen wir in Neu-Bagan und er endet mit einem Marionettentheaterstück in einem der umliegenden Restaurants direkt am Irrawaddy. Am Ende der kurzen Aufführung dürfen auch unsere Kinder die Marionetten führen.

Am vierten Tag erwarten wir eigentlich das im Land und Reiseführer groß angekündigte Lichterfest, doch wider Erwarten wird dies in Bagan gar nicht gefeiert. Einzig die auf den darauffolgenden Tag fallende Beschenkung der Mönche ist hier als besonderes Event bekannt und so machen wir uns wieder mit Elektrobikes auf den Weg zur großen Schwezigon Pagode in Nyaung U. Der Andrang ist riesig und so kommen wir zunächst gar nicht in die Tempelanlagen. Erst nachdem wir einen Umweg fahren und zu einem anderen Tor gelangen, erreichen wir das Innere der Tempelanlagen und werden Zeugen dieses besonderen Rituals. Unter Ohrenbetäubendem Lärm ziehen alle Mönche der Größe nach aufgestellt, durch eine Art Spalier und erhalten am Ende Geldblumengestecke, Körbe mit Essen und anderen Präsenten. Anschließend fahren wir querfeldein durch die Tempelfelder und schauen uns ganz unterschiedlichen Pagodentypen aus den verschiedenen Dynastien an. Dann landen wir bei einer Trinkpause in einem kleinen Dorf und bekommen eine ausführliche Führung durch ein noch sehr traditionell wirtschaftendes kleines Dorf.


  
  
  
  
Am Ende ging unseren Bikes der Saft aus und so erreichen wir gerade noch vor dem Sonnenuntergang eine begehbare Pagode, wo wir im Gegensatz zu der vom ersten Abend mit zahlreichen anderen Touristen dem Spektakel beiwohnen. Unsere Kinder spielen Verstecken und Einkriege und wollen gar nicht weiter. Schließlich ist es stockdunkel und es geht mit viel Unterstützung von Muskelkraft wieder auf den Bikes zurück zum Hotel.


Am letzten Tag machen wir am Nachmittag einen Ausflug mit dem Taxi zum Mount Popa. Ein wichtiger sehr verehrter Tempel mit einer Wahnsinnslage, direkt auf einem steilen Hügel vor dem größten Berg der Region liegend. Auf dem Weg stehen zahlreiche Menschen am Wegesrand und besonders Kinder und alte Frauen warten auf kleine Geldspenden aus den vorbei fahrenden Pilgergefährten! Ein sehr gefährliches Unterfangen, da besonders kleine Kinder mitten auf die Fahrbahn stürzen um kleine Scheine zu ergattern! Wir sind sehr irritiert und haben so etwas bis dato in Myanmar nicht erlebt.

  Schließlich gelangen wir zur Basisstation am Fuße des Hügels, von wo es barfuss hinauf zur Tempelanlage geht. Der mit zahlreichen Devotionalienhändlern versehene Aufstieg erfolgt über fast 1000 Stufen und um alles herum turnt und tobt ein riesiges Heer von Affen! Entsprechend dauert auch unser Aufstieg seine Zeit, zumal die aufsteigenden Myanmarer neben den Affen besonders gerne unsere Kinder fotografieren.

Zig Selfies und lustige Familienaufstellungen entstehen und wir werden in einige Tempelrituale eingeführt. So reiben wir z. B. in einer kleinen Kammer unterhalb der Tempelplattform eine orangefarbene Paste und schmieren sie uns auf Arme und Beine, da es Glück und Gesundheit bringen soll.
  
   Leider verpassen wir den richtigen Moment für den Abstieg und so wird es nichts mehr mit der Fahrt auf den Mount Popa selbst, da die Dunkelheit bereits hereinbricht. So geht es gleich zurück in den grandiosen roten Nachthimmel und wir erreichen gegen 20 Uhr unsere Hotels, gerade rechtzeitig, um den unterschiedlichen Essensgelüsten der Kinder gerecht zu werden. Schließlich gehen Sabine und Nelio „auswärts“ essen und wir machen unsere anschießende Weiterfahrt klar. Nach langem Hin und Her haben wir uns nun doch dazu entschieden, bis nach Mandalay zu reisen. Mit dem Schiff einen ganzen Tag auf dem Irrawaddy!
Am nächsten Morgen stehen wir in aller Herrgottsfrühe auf und werden mit dem Minibus zum Hafen gebracht, wo schon unser „Boat to Mandalay“ abfahrtsbereit auf uns wartet! Die Sonne geht geht ganz langsam auf und es dauert, bis der Ayawaddy und sein hügliges Uferland in sattem Rot erkennbar werden. Wir sind schon eine Stunde unterwegs, als in der Ferne die Heißluftballons aufsteigen und über dem Frühnebel Bagans erscheinen. Ein auch aus der Ferne faszinierender Bild, das nur langsam am Horizont verschwindet.