Myanmar – Am Inle See

Geschrieben von Sabine

Ich weiss nicht, warum es mir so schwer fällt über Myanmar zu schreiben. Jetzt sind wir schon wieder in Thailand, und ich konnte mich noch nicht aufraffen, all unsere Erlebnisse in Worte zu fassen. Jetzt also der Versuch, über den ersten Teil zu berichten:

Am 12.November flogen wir von Bangkok nach Myanmar und kamen am überraschend modernen internationalen Flughafen in Yangon an. Da wir mit Jens, Sille und Ulf am Inle See verabredet waren, entschieden wir uns, gar nicht erst in Yangon zu bleiben, sondern gleich vom nebenan liegenden Domestic Airport weiter nach Hohe zu fliegen. Der Flughafen für Inlandsflüge sah ziemlich interessant aus: eine riesige braunbeige Schuhschachtel mit Gipsornamenten, riesigen Säulen, gigantischen Wagen und mitten drin circa zehn selbstgebastelt aussehende Empfangstresen diverser myanmarischer Fluggesellschaften! Unser Gepäck wurde von Hand weiter zum Flugzeug transportiert und statt Ticket bekamen wir alle einen Aufkleber auf die Brust.

Ein kleines Propellerflugzeug brachte uns innerhalb einer Stunde nach Heho und von dort ging es per Taxi weiter nach Nyaung Shwe an den Inle See. Dort hatte Jens das Bright Hotel für uns reserviert, wir hatten ein riesen Zimmer das aussah wie eine Schiffskajüte mit einer Holzsäule in der Mitte, an der Nelio und Liam die nächsten Tage eifrig auf und ab kletterten.

Ich spazierte alleine in der Abenddämmerung die Straße entlang und lief dort gleich Jens, Sille und Ulf in die Arme!!! Wie schön das war, so weit entfernt von zu Hause unsere Freunde zu treffen. Nelio und Liam sprangen den beiden in die Arme und waren genauso glücklich!

Ulf feierte an diesem Tag seinen sechzigsten Geburtstag und wir feierten im Chillax Restaurant bei sehr leckerem Essen. Vor allem die leckeren Salate wie Tea leaf, Bananenblüten, Avocado oder Shan Noodle überzeugten uns sehr und zum Nachtisch gab es selbst gemachten Yoghurt in Tontöpfen!

Wir verbrachten sieben sehr entspannte Tage am Inle See, nach einigem Hin und Her wohnten wir alle zusammen im Bright Hotel und okkupierten dort die Terasse. Sille, Jens und Ulf waren schon etwas länger in Myanmar unterwegs und hatten schon gewisse Erfahrungen gesammelt und brachten so neue Dynamiken in unseren Reisetrupp. Für uns war das toll, da wir manchmal Schwierigkeiten haben, uns ob all der vielen Möglichkeiten zu entscheiden. Außerdem merkten wir alle, auch die Kinder, dass unsere gesammelten Reiseerlebnisse der letzten Wochen jetzt endlich mal erzählt werden konnten! Tausend Dank fürs Zuhören, Sille, Jens und Ulf. Mir wurde beim erzählen wieder bewusst, was für einen Schatz an Erlebnissen, Erfahrungen und Gesehenem wir beim Reisen schon angesammelt haben!

Aber zurück zum Inle See: unsere erste Tour führte uns per Fahrrad um den See zu den Hot Springs. Die Hot Springs sind hier nicht ganz so ursprünglich wie manch einer sie sich vorstellen mag. Touristen und Myanmarer baden getrennt, dafür durften wir alle, Männlein und Weiblein zusammen in herrlich warmem Wasser baden. Auf dem Rückweg setzten wir mit Booten über den See über. Zum ersten Mal bekamen wir den See zu Gesicht! Wahnsinnig schön! Erst vorbei an einem auf Stehlen in den See gebauten Fischerdorf, durch enge Kanäle, einmal schanzte unser Boot über eine Schwelle aus Wasserpflanzen, vorbei an Fischern, die kunstvoll auf dem Bug ihres schmalen Holzbootes balancierten und dann raus auf den offenen See, plötzlich ganz viel Weite, Himmel, Wolken, Blau und Wasser. Die Wasservögel stieben auf, als wir mit unserem Boot über die Weite Fläche knatterten und die Abendsonne tauchte alles in ein warmes Licht.


An einem langen Steg kamen wir an und radelten von dort zurück nach Nyaung Shwe.

Da wir uns alle verabredet hatten die ganze Woche zusammen am Inle See zu verbringen, fiel etwas von dem Reise- und Planungsstress von uns ab und wir entschieden, gemütlich von Tag zu Tag auf was wir grade Lust hatten. Das war für touristisch myanmarische Verhältnisse recht ungewöhnlich, denn die meisten Reisenden bleiben hier immer nur zwei bis drei Tage.

Einen Nachmittag verbummelten wir auf dem Markt zwischen eisernen Messern, bunten Longhis (Wickelröcke), großen Aluminiumtöpfen, mit bunten Plastikbändern geflochtenen Tragekörben, merkwürdigen voodooartigen Mützen aus Rinderzähnen und winzigen Nähstuben. Nelio und Liam verliebten sich unwissend welchem Zweck sie dienten, in die niedlichen Opiumwaagen mit elefantenförmigen Gewichten. Anja besorgte sich ihr erstes Thanaka, die gelbliche Paste eines Baumes, mit denen Myanmarer sich kunstvolle Flecken zum Sonnenschutz ins Gesicht malen. David kaufte seinen ersten Longhi und ich liebäugelte mit dem Silberschmuck der Shan. Im Anschluss versackten wir bei viel zuckersüßem Kaffee bei Mohammed in der muslimisch geführten Teestube am Eck.


  
Überhaupt hatte Nyaung Shwe sehr nette Restaurants und Cafés zu bieten. Sehr entspannt war es auch beim „Franzosen“, einem mit gelben Tüchern und orangenen Sesseln sehr gemütlichen Café, wo man sich Abend für Abend bei frischem Baguette, die etwas weichgewaschene aber durchaus beeindruckende filmische Eigenproduktion des Hausherren im Heimkino ansehen konnte. Uns allen und den Kids hat der Film jedenfalls Spaß gemacht, da er auch viele Einblicke in das Leben der alten und auch ganz jungen Mönche bot.

Für mich haben diese Orte immer etwas von einer Blase, da sie ganz und gar nichts mit Myanmar und dem Leben der Myanmarer zu tun haben und sich auch kaum einer der Locals die Preise dort leisten könnte. Ich tröste mich dann immer damit, dass sie zumindest auch für die Menschen vor Ort gute Arbeitsplätze bieten und muss nach fast vier Wochen auch zugeben, dass ich mir öfters mal so ein Café zum durchatmen und Pause machen (verdrängen?) herbeigesehnt habe.
Ein anderer Ausflug führte uns per Fahrrad zum Tripadvisor Nr.1 Restaurant, dem Bamboo Hut, das sich wirklich als Ziel lohnte. Das Essen war köstlich, und das Restaurant wunderschön am Berg mit Blick auf den See inmitten eines Gartens gelegen. Die Kinder hatten großes Vergnügen daran, mit dem Kellner in den Garten zu gehen um dort ihre eigenen Drachenfrüchte für Ihre Fruchtshakes zu ernten. Wir blieben lange und der Rückweg wurde zum „Abendteuer“, da unsere Fahrräder alle kein Licht hatten, Nelio und Liam auf eigenen viel zu großen Rädern unterwegs waren und Sille nur ihre Sonnenbrille statt normaler Brille dabei hatte!

Der Höhepunkt unserer Woche am Inle See war sicherlich die lange Bootstour über den See. Geschickt hatten wir am Tag zuvor mit einem älteren Mann verabredet, dass wir alle zusammen in einem Boot für lediglich 18000 kyat fahren könnten. Früh am nächsten Morgen hatten wir es mit seiner geschäftstüchtigen Tochter zu tun, die gleich wieder von der Regierungsregel sprach und dass nur fünf Personen an Board erlaubt seien. Als wir dann auch noch den langen Schlenker nach „In Dein“ zu den Pagoden fahren wollten, erhöhte sich der Preis gleich auf 20000 kyat! EIndeutig, in Myanmar haben zwar auch Frauen Longhis an, aber eindeutig das Sagen!

Die Kyats waren gut investiert, denn für lediglich 15 Euro schipperte uns unser Bootsführer von morgens um acht bis abends um acht über den See!

Nyaung Shwe liegt an einem Kanal der mit dem Inle See verbunden ist und so fährt man eine Weile bis zur Mündung des Sees, wo uns gleich zwei drei Fischer mit ihrer Performance erwarteten. Jens war völlig entsetzt, statt zu fischen ist es für einige Fischer anscheinend mittlerweile lukrativer, morgens mit ihren großen Fischerkörben für die Touristenboote zu Posen!

Unser Betelnuss kauender Bootsführer, den die Kinder wegen seiner betelnussroten Lippen und seinem niedlichen mit blumenbedruckten Stohhütchen, Rotkäppchen nannten, war ein typisches Beispiel für die Extreme Myanmars. Zum traditionellen Longhi trug er ein Death Metal Sweatshirt und unter seinem Mützchen einen asymmetrisch geschnittenen rotgefärbten Haarschopf wie aus einem Manga Comic!

Unser erster Stop führte uns vorbei an den berühmten schwimmenden Gärten auf denen überwiegend Tomaten angebaut werden zum Fünf-Tagesmarkt, der reihum am verschiedenen Orten am See stattfindet. Am Anfang musste man sich erst durch einige Reihen Souvenirstände wühlen bis man zum echten und sehr spannenden Marktleben durchdrang.

Als nächstes fuhren wir zu einem auf Stehlen gebauten Dorf, in dem mehrere Handwerksbetriebe angesiedelt waren. Die Lotusweberei hat uns besonders beeindruckt. Aus Lotusstängeln werden hauchdünne Fäden gewonnen die dann gesponnen und auf großen alten hölzernen Webstühlen zu Stoffen gewebt werden, die an Rohseide erinnern. Es entstehen sehr aufwendig produzierte und kostbare Stoffe!

Jens und Ulf waren besonders fasziniert, schlugen zu und shopten einzigartige Schals und Shan-Webereien. Wir anderen lümmelten indessen auf den Bambusstühlen und entdeckten nach und nach in jeder Ecke die schönsten Alltagsstillleben in dieser Weberei.

Nach dem Mittagessen war ein Silberschmied der nächste Stop. Für die Kinder herrlich angewandte Reiseschule unterwegs. Schritt für Schritt sahen sie, wie aus einer runden Silberplatte ein ornamentreicher Becher getrieben oder der filigrane springende Fisch hergestellt wird.


Die Zeit auf dem See verging wie im Fluge und wir mussten uns langsam beeilen, um noch nach In Dein zu kommen. Wir zweigten auf einen schmalen Kanal ab, wenig Boote waren hier unterwegs und am Rande sahen wir die Menschen beim nachmittäglichen Bad am Ufer.

In Dein ist ein kleines Örtchen mit unzähligen Schal-Verkaufsständen. Am Eingang zur Pagode mussten wir zum ersten Mal die obligatorische Kameragebühr bezahlen. Dann ging es durch einen endlos erscheinenden Säulengang hoch zur Pagode. Zum Glück waren wir schon spät dran und die meisten Händler, die am Gang ihre Stände aufgebaut hatten, bauten gerade ab. Sonst wären wir mit den Kindern wohl nie oben angekommen!

Oben erwartete uns ein Tempel, umgeben von einem großen Pagodenfeld. Vor unseren Augen unendlich viele weiß-goldene Türmchen, an deren Schirm oben im Himmel sachte die Gebetsglöckchen im Wind bimmelten! Einfach zauberhaft!


Uns rannte ein wenig die Zeit davon und so konnten wir nur kurz in In Dein bleiben. Als letztes fahren wir noch am berühmten Katzenkloster vorbei. Zu Meditationszwecken hatten dort früher Mönche die Katzen trainiert, durch winzig kleine Reifen zu springen. Daraus ist wohl mittlerweile ein ziemlicher Touristenzirkus geworden und die Meinungen in unserer Reisegruppe, ob wir da überhaupt noch hin sollten gingen stark auseinander.

Wir kamen dann aber so spät an, dass der Zirkus schon vorbei war und uns nur noch ein zauberhaftes hölzernes Kloster auf dem See in der Abenddämmerung blieb und die Kinder fanden die Katzen auch ohne Sprünge niedlich!

Kaum ist die Sonne verschwunden, wird es am Inle See empfindlich kalt. Wir hatten die Chance genutzt, in Bangkok ordentlich viel Gepäck zwischenzulagern, um endlich mal etwas unbeschwerter zu reisen und vermissten jetzt unsere warmen Kleider. Schicht über Schicht im Zwiebellook stiegen wir in die Boote für den langen Rückweg über den See. Für Sille wurde es eines der Highlights der Reise, die blaue Stunde, der aufgehende Mond, die Sterne und die schnelle Fahrt mit lautem Geknatter. Für Anja, Sabine, Nelio und Maribel wurde dieses Erlebnis von einem großen Schreck getrübt. Unser Bootsführer hatte in der Dunkelheit einen aus dem See aufragenden Betonpfosten übersehen und mit einem lauten Krach bäumte sich unser Kahn plötzlich auf, fuhr dann aber zum Glück unbeschadet weiter… und in uns rauschte das Adrenalin!
An unserem letzten gemeinsamen Tag wollten wir auch endlich mal wandern gehen. Alle meinten, wir können auch alleine losziehen und bräuchten keinen Guide. Also zogen wir unter Davids Handy-Navigationskünsten querfeldein los, über Kuhweiden, durch Mangobaumplantagen, durch Gestrüpp und hohes Gras, laut stampfend, um die potentiellen Schlangen zu vertreiben, über einen schmalen Bambussteg, um ein kleines Flüsslein zu überqueren. Ziel war ein Kloster mit einer Meditationshöhle in den Bergen. Die Mönche staunten nicht schlecht, als wir oben vom Berg runter kamen, anstatt wie sonst alle anderen Besucher über die recht gut begehbare Straße!

Die Höhle war toll, ein Mönch führte uns von Kammer zu Kammer und überall in den Nischen standen kleine Buddhastatuen. Am Ausgang war sogar ein großer liegenden, mit Blick über das Tal.


Das Wandern war toll, bei der Hitze aber auch ziemlich anstrengend und wir hatten dringend eine Pause mit Cola und Keksen nötig. Sille wurde es leider ganz schwummrig und sie wurde von Jens sicher zurück geleitet. Wir anderen taperten im gemächlichen Tempo der Stadt entgegen, kehrten zum Mittagessen ein und aßen die sehr leckere und auch im Nachhinein für alle bekömmliche „Brunnenwassersuppe“. Schließlich stießen wir am Ende noch auf eine riesige Prozession!

Zum Novembervollmond wird in Myanmar ein großes Fest für die Mönche gefeiert. Höhepunkt ist ein großer Wettbewerb zu dem in Yangon an der großen Schwedagonpagode neue Gewänder für die Mönche gewebt werden. Aber auch sonst wird im November im ganzen Land für die Mönche gesammelt. In solch eine Prozession gerieten wir jetzt hinein, verschiedene Gruppen hatten alle möglichen Gegenstände auf Holzgestellen angebracht und die wurden jetzt durch die Straßen getragen. Es müssen dabei im Vorfeld erstaunlich gute Absprachen stattgefunden haben, denn an jedem Holzbaum waren andere Sachen befestigt: an einem neues Geschirr, an einem anderen Teppiche, an einem nur Uhren, an einem weiteren neue Almosenschalen, lauter Henkelmänner oder FlipFlops in mönchsfarbenem rotbraun. Begleitet wurde die ganze Prozession mit lautem Getrommel und Live Musik von einem LKW. Wir waren also schon sehr gespannt auf weitere Festlichkeiten zum Novembervollmond!

Der Abschied von Jens und Sille und Ulf kam dann ganz plötzlich und war tränenreich. Wir hatten eine tolle Zeit zusammen, einen sehr entspannten Start in Myanmar und die drei waren wie ein Stück Heimat für uns in der Ferne! Die darauffolgenden Tage zehrten wir von den gemeinsamen Tagen, uns wurde aber auch noch einmal sehr deutlich bewusst, das wir grade mal ein Drittel unserer Reisezeit hinter uns haben und das noch eine sehr lange Zeit vor uns liegt!

…aber das nächste Abendteuer wartete bereits!